50 Jahre

Jugendarrest in der

Anstalt Remscheid

 

Vorwort

Die vorliegende Denkschrift über die JAA Remscheid - 50 Jahre Vollstreckung von Jugendarrest - lässt wohl nur diejenigen Leser erahnen, die mehr oder weniger als Insider zu betrachten sind, welche Arbeit und Probleme im Laufe der Jahre von einem Vollstreckungsleiter zu bewältigen sind.

Es geht hier nämlich nicht nur um die Durchführung der gesetzlichen Vorgaben. Mit Paragraphen und verwaltungsmäßigem Handeln alleine ist es nicht getan. Die Jugendlichen - ob sie nun mehr oder weniger gefehlt haben -haben sehr oft doch ein gutes Gespür dafür, wie sie im Vollzug behandelt werden. Bei manchen kommt das Gespür später bei anderen früher. Ein besonderes Empfinden haben die meisten dafür, ob sie ihren Verfehlungen entsprechend angesprochen bzw. "angefasst" werden. Das beginnt schon am ersten Tag, an dem sie sich zum Arrestantritt melden. Das seltsame Gefühl, nunmehr einige Zeit hinter Mauern "gefangen" den Justizbeamten "ausgeliefert" zu sein, muss ihnen sofort genommen werden. Der "erste Eindruck", das erste Gespräch mit den Vollzugsbeamten ist hochwichtig und sehr oft entscheidend für den "Erfolg" des Jugendarrestes. Die früher leider oft beliebte Methode "Sie halten den Mund, hier bestimme allein ich.", hat nachweislich den Sinn des Jugendstrafvollzuges völlig verkannt. Ich habe als junger Rechtsanwalt in früheren Jahren leider auch solche Situationen miterleben müssen.

Nun hat sich inzwischen vieles geändert. Ganz allgemein führten die Überlegungen dahin, dass die Strafen im unteren Bereich der Kriminalität nicht unbedingt im Strafvollzug abzubüßen sind - vermutlich der Einfluss des amerikanischen Parole-Verfahrens und ähnlicher Regelungen in der Schweiz.

Die Strafaussetzung zur Bewährung lässt zu, dem Verurteilten aufzuerlegen (u. a.), einen Geldbetrag zu Gunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen. Davon machten und machen die Gerichte Gebrauch - je nach Lage des Falles. Diese gesetzliche Einrichtung führte dazu, dass die Vertreter solcher gemeinnützigen Einrichtungen (wie z.B. Rotes Kreuz, Caritas pp.) bei den jeweiligen Strafrichtern darum baten, auch ihre Einrichtung, Gemeinschaft o. ä. zu bedenken. Es wäre etwas übertrieben zu sagen, die Vertreter solcher Einrichtungen hätten sich die Klinke zu den Türen der Strafrichter in die Hand gegeben. Aber es führte dazu, dass eines Tages etwa Anfang November 1969 mich drei Richter des AG Remscheid in meiner Privatwohnung aufsuchten mit der Erklärung, es sei zweckmäßig, dem sog. Klinkenputzen Einhalt zu gebieten und die verhängten Geldbußen an einen zu gründenden Verein zum Zwecke gerechter Verteilung an die gemeinnützigen Einrichtungen zu überweisen.

So kam es am 26. 11. 1969 zur Gründung des Vereins für Bewährungshilfe e.V. (eingetragen im Vereinsregister am 17. 02. 1970). Ein Vergabeausschuss bestehend aus je einem Richter, Rechtsanwalt, Staatsanwalt, Stadtdirektor sowie je einem Vertreter des Jugendamtes, der Arbeiter-Wohlfahrt, und des Sozialdienstes kath. Männer beschließt jährlich, in welcher Höhe und an welche Organisation die Beträge, die sich innerhalb eines Jahres angesammelt haben, zu überweisen sind. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Jugendarrestanstalt Remscheid, deren Leiter sich seit Jahren mit unermüdlichem Eifer und großem Sachverstand um die jugendlichen Straftäter und ggfls. auch um deren Nachbetreuung nicht nur bemüht, sondern sich ihnen voll und ganz widmet. Aus den Seiten 13 ff. der vorliegenden Schrift lässt sich ersehen, dass ohne die erheblichen Geldzuwendungen diese erfolgreiche Arbeit mit und an den Jugendlichen nicht in dem Umfang - wie aus der Schrift "50 Jahre Jugendarrest in der Anstalt Remscheid" ersichtlich - möglich war.

Ich wünsche der JAA Remscheid auch weiterhin Erfolg in der Betreuung straffällig gewordener Jugendlicher in Zusammenarbeit mit dem Verein für Bewährungshilfe.

Westerholt, 30. 10. 1992

Dr. Xxxxxxx

Zur vorliegenden Denkschrift

Über 50 Jahre Jugendarrestvollzug in der Jugendarrestanstalt Remscheid sind Anlass zur Besinnung. Kaum eine andere Jugendarrestanstalt wird auf eine solche Geschichte zurückblicken können. Mit der Einführung des Jugendarrestes in das Jugendgerichtsgesetz wurde das bestehende Gerichtsgefängnis in eine Jugendarrestanstalt umfunktioniert und ist bis heute eine solche geblieben. Sicher hat der Strafvollzug eine wechselvollere Geschichte gehabt als der Jugendarrestvollzug, seine Geschichte ist viel interessanter. Stets hat der Jugendarrestvollzug eine andere Bedeutung gehabt. Das ergibt sich aus der Gesetzessystematik - er ist Zuchtmittel und keine Strafe - aber auch aus den Zahlen der Jugendarrestanten und deren Verweildauer im Arrest. Als Zuchtmittel und kurze stationäre Maßnahme hat er nie die Probleme mit sich gebracht, mit denen der Strafvollzug sich auseinandersetzen muß. Doch für viele Jugendliche ist er der einzige und erste Freiheitsentzug nach Begehung einer Straftat. Aus diesem Grund schon kommt ihm eine entscheidende Bedeutung zu: Gelingt ihm der Auftrag, die dissoziale Karriere des Jugendlichen zu stoppen oder bleibt er der Anfang zu weiteren Erfahrungen mit dem Strafvollzug.

Vor diesem Hintergrund ist es wert, dass einmal 50 Jahre Bemühens um Jugendliche zusammengetragen

werden. Beim Studium dieser Schrift wird der Leser feststellen können, dass die Jugendarrestanstalt Remscheid zu keiner Zeit eine starre Institution gewesen ist. Sämtliche Mitarbeiter haben sich stets bemüht, einen menschennahen Vollzug zu gestalten, um den Jugendlichen erzieherisch zu beeinflussen. Der Zeitgeist hat dieses Bemühen unterschiedlich geprägt. Die vorliegende Schrift dürfte daher ein interessantes Zeitdokument sein, das meine Mitarbeiter miterarbeitet haben.

Das Sammeln und Zusammentragen der einzelnen Quellen und Beiträge hat Herr Bruno Huintjes als Aufgabe übernommen - er hat viele Jahre mit mir in der Jugendgerichtsbarkeit und in der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen sowie dem Verein für Bewährungshilfe Remscheid zusammengearbeitet. Er ist vorzüglicher Kenner der Materie und der Problematik des Jugendarrestvollzuges und daher geeignet, in sachlicher Form und mit etwas Abstand über die Geschichte zu berichten. Ohne all diese fremden Hilfen wäre das Dokument nicht erstellt worden, ihnen allen gebührt mein herzlicher Dank.

Xxxx Xxxxxxxx, im Dezember 1992

 

II.Geschichte

1923

Das erste deutsche Jugendgerichtsgesetz wird erlassen.

04.10.40

Die erste Verordnung zum Jugendarrest wird erlassen.

§1 deklariert den Jugendarrest eindeutig als Zuchtmittel.

§2 führt aus, dass der Jugendarrest keine Strafe ist.

1941

Kommentar des Reichsjustizministeriums:

"Der Jugendarrest ist eine eigene jugendgemäße Reaktion des Staates auf Straftaten Jugendlicher. Er soll dem Jugendlichen eine ernste Mahnung sein, nicht auf den Weg des Verbrechens abzugleiten. Er soll ihn wach rütteln und zur Ordnung zurückrufen. Dabei soll er ihn an die Ehre packen, die diffamierenden Nachteile der Strafe aber vermeiden."

Weiter heißt es, dass der Jugendliche im Dauerarrest für sich allein bleiben solle, seine Gesundheit dürfe unter dem Vollzug aber nicht leiden; die arbeitsfreie Zeit solle nach dem Ermessen des Vollzugsleiters erzieherisch ausgewertet werden; die Bewährung des Jugendarrestes stehe und falle damit, dass der Richter sich um jeden einzelnen im Arrest befindlichen Jugendlichen kümmert; dies sei die vornehmlichste Pflicht des Jugendrichters, dem die Anwendung des Jugendarrestes anvertraut sei.

Zur Beschäftigung wird ausgeführt: Die Arbeit, die wir im Jugendarrest brauchen, ist körperliche Arbeit. Steht der Anstalt Gartenland oder Feld zur Verfügung, so soll es von den Arrestanten bestellt werden. Meist wird sich auch ein Arbeitsraum finden, in dem mehrere Jugendliche zugleich arbeiten können. Hier wird es möglich sein, mit der Zeit eine kleine Werkstatt einzurichten, in der unter geeigneter Aufsicht gearbeitet werden kann. Die Arbeit muß stets einen vernünftigen Sinn haben, der dem Jugendlichen erkennbar ist."

Die arbeitsfreie Zeit sollte ebenfalls erzieherisch ausgestaltet werden: "Auch Schulung ist im Dauerarrest nicht ausgeschlossen. In Großstädten könnte geeigneter Verkehrsunterricht am Platz sein. Jedenfalls muß jeder Unterricht, wenn er nicht sinnlos werden will, darauf Rücksicht nehmen, dass der Arrestantenbestand sehr schnell wechselt, also Lehrpläne auf lange Sicht nicht aufgestellt werden können. Umso geeigneter erscheinen Besprechungen wichtiger Tagesereignisse durch den Aufsichtsrichter."

30.04.41

In einem Bericht an den Staatssekretär beim Reichsjustizministerium, Dr. Freisler (später Vors. des Volksgerichtshofes), wird bereits die Jugendarrestanstalt Remscheid erwähnt.

Wörtlich heißt es: "Die Jugendlichen haben durchweg, nachdem sie eine Nacht auf der Pritsche verbracht haben, am anderen Morgen geweint. Ein Jugendlicher, dem bei der Taschenrevision versehentlich ein RPfg. belassen war, hat diesen dazubenützt, um die Verschraubung des Fensterverschlusses zu lösen und das Fenster zu öffnen. Andere haben verstanden, Zigaretten einzuschmuggeln. Überhaupt ist das Urteil über den Wert des Wochenendkarzers allgemein sehr viel skeptischer als beim Dauerarrest, und ich habe fast den Eindruck gewonnen, dass nur dieser sich als dauernd wertvolle Einrichtung halten wird. Der Wochenendkarzer in den Fällen der Wiederholung wird leicht genommen.

Das Hauptproblem des Jugendarrestes ist die Frage der Beschäftigung. Hand und Fuß hat die Ansicht eines Jugendrichters, die Arbeit müsse im Vollzug des Arrestes so eingerichtet werden, dass sie die ganze Körperkraft des Jugendlichen voll in Anspruch nehme. Das sei bei der in den Zellen zu verrichtenden Arbeit in aller Regel kaum der Fall. Am besten wäre es, Jugendliche mit Land- oder Erdarbeiten zu beschäftigen. Ob eine Arbeit, die leicht erlernbar aber ohne erzieherischen Wert ist, für die Jugendlichen besonders geeignet ist, will mir zweifelhaft erscheinen. Für männliche Insassen dürften Gartenarbeit, gewisse handwerkliche auch fabrikmäßige Beschäftigungen in Betracht kommen.

Der Remscheider Jugendrichter hat bei Jugendlichen nach der Verbüßung von einer Woche Jugendarrest Gewichtsverluste von durchschnittlich 3 kg festgestellt. Er sei erschrocken gewesen, wie sehr diese Jugendliche schon dem ersten Ansehen nach durch den Vollzug körperlich gelitten hätten. Der gleiche Richter hat ausdrücklich anerkannt, dass die Beköstigung der Jugendlichen nach den Vorschriften der Kostordnung und im allgemeinen ausreichend sei. Jugendliche, die einen längeren Arrest als eine Woche zu verbüßen hatten, hätten nur geringe Gewichtsverluste von etwa 1 kg zu verzeichnen gehabt."

Immer, auch nach dem Krieg ist die These aufgestellt worden, dass der Jugendarrest dazu dienen soll, Jugendliche, die gegen Rechtsnormen verstoßen haben, mit einer ihnen angemessenen Sanktion zu belegen, damit sie diese Rechtsnorm nicht wieder verletzen.

Die Verordnung zum Jugendarrest galt auch nach 1945 unverändert weiter, soweit nicht nationalsozialistisches Gedankengut vertreten war.

04.08.53

erfolgte die Neufassung des Jugendgerichtsgesetzes. Dadurch entfielen auch einige Bestimmungen der JAVollz0, was besonders die Hausstrafen betraf.

1972

Prof. Dr. Xxxx Xxxxxxxx erhält vom Bundesjustizministerium einen Forschungsauftrag zur Umgestaltung des Arrestvollzuges. In diese Untersuchung wird auch die Jugendarrestanstalt Remscheid einbezogen.

März 82

Die Fraktion der SPD bringt im Landtag von NRW einen Antrag "zur Weiterentwicklung des Jugendstrafvollzuges" ein. Über den Jugendarrest heißt es dort: Jugendarrest wird derzeit als Zuchtmittel zur Besserung junger Straftäter angeordnet. Es ist zu fragen, wie hoch der damit beabsichtigte Erfolg veranschlagt werden kann. Eine positive erzieherische Wirkung wird jedenfalls kaum erzielt, weil zum einen der Jugendarrest meist nicht erzieherisch gestaltet ist, zum anderen der Freiheitsentzug und die zuvor erfolgte Verurteilung eine positive Wirkung wegen des Stigmatisierungseffektes kaum möglich macht." Weiter heißt es: "Durch verstärkte Angebote der Jugendhilfe (insbesondere Jugendgerichtshilfe) kann die Verhängung von Jugendarrest deutlich verringert werden. Allerdings ist die Jugendgerichtshilfe derzeit nicht in der Lage, diese Aufgabe zu über nehmen. Die Landesregierung sollte darauf hinwirken, dass die in der Verantwortung der Kommunen liegende Jugendgerichtshilfe entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag wahrgenommen werden kann."

09.06.83

In der Plenardebatte des Landtages NRW führt Frau Xxxxx (CDU) zum Jugendarrest folgendes aus:

"Wenn Jugendarrest, dann bitte auch die Möglichkeit der pädagogischen Einflussnahme, die nur dann gegeben ist, wenn der Jugendarrest für einen Zeitraum von vier Wochen verhängt ist. Bei einem kürzeren Arrest sehen wir diese Möglichkeit als nicht gegeben an."

Von Frau Xxxxxx (SPD) wird zum Arrest ausgeführt: "Es wäre besser, weniger junge Leute zu Dauerarrest zu verurteilen, nämlich diejenigen nicht mit Dauerarrest zu belegen, die man mit sinnvollen Arbeitsauflagen und sinnvollen Betreuungsanweisungen erfassen kann. Die verbleibende durch ambulante Maßnahmen schwer zu erreichende Restgruppe sollte dann in einen Dauerarrest hineinkommen, der sich in der Form eines sozialen Trainingskurses vollzieht oder einem solchen annähernd ausgestaltet ist."

12.08.86

Es tritt die neue Verordnung über den Vollzug des Jugendarrestes in Kraft und löst die JAVollzO von 1943 ab. Es heißt nun, dass der Vollzug so gestaltet werden soll, dass die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung gefördert werden soll. Diese Förderung soll im wesentlichen durch die Aussprache des Vollzugsleiters mit den Jugendlichen erreicht werden. Bei seiner Tätigkeit soll der Vollzugsleiter nun von "erzieherisch befähigten" und in der "Jugenderziehung" erfahrenen Mitarbeitern unterstützt werden. Sie sollten so ausgewählt und angeleitet werden, dass sie mit dem Vollzugsleiter in einer erzieherischen Einheit vertrauensvoll zusammenarbeiten.

26. 06. 90

Erneute Neufassung der Jugendarrestvollzugsordnung.

 

 

III. Die Jugendarrestanstalt Remscheid

 

1941

Wie bereits unter II. ausgeführt worden ist, besteht die Jugendarrestanstalt Remscheid mindestens seit 1941.

1940

Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Anstalt schon bald nach der 1.Verordnung zum Jugendarrest im Jahre 1940 er öffnet worden ist. Denn nur auf Grund von gewonnenen Erkenntnissen und Erfahrungen über einen längeren Zeitraum kann der Bericht an die übergeordnete Stelle vom 30. 04.41 abgefasst worden sein. Damit dürfte zur Genüge nachgewiesen worden sein, dass die Jugendarrestanstalt Remscheid seit über 50 Jahren besteht.

21.07.41

Der Vollzugsleiter

Aus eingesehenen Archivunterlagen geht hervor, dass Herr Dr. Xxxxx am 21.07.41 seinen Dienst beim Amtsgericht Remscheid angetreten hat. "Als Straf- und Vormundschaftsrichter ist er am richtigen Platz, Verständnis bringt er dem Jugendstrafrecht entgegen", heißt es in einer Beurteilung.

1943

hat Herr Dr. Xxxxx auch an einer Jugendrichtertagung teilgenommen. Da für Jugendstrafsachen in Remscheid damals nur ein einziger Richter zuständig war, dürfte dieser auch gleichzeitig Vollzugsleiter der Jugendarrestanstalt gewesen sein.

Sept. 44

später, im September 1944 wurde Herr Dr. Xxxx zur Wehrmacht eingezogen und wurde nach einem Fliegerangriff am 02.06.45 tot aufgefunden. Als beauftragter Richter am Amtsgericht Remscheid und zugleich Vollzugsleiter der Jugendarrestanstalt

17.06.46

nahm Herr Dr. Dr. Dr. Xxxx am 17.06.46 seinen Dienst auf. Wer von Sept. 1944 bis Juni 1946 die Aufgaben des Vollzugsleiters wahrgenommen hat, konnte nicht ermittelt werden.

März 47

Dr. Xxxx berichtet an den Senior Penal Officer H. A. Xxxxx Lt. Col. (RTD) im März 47 dass die Jugendarrestanstalt Remscheid eine Belegungsfähigkeit von 33 männlichen Jugendlichen hat.

01.04.54

Herr Dr. Xxxx wurde zum 01.04.54 in den Ruhestand versetzt. Nachfolger wurde Herr AGR Xxxxx, der dann bis Ende 1968 für den Vollzug verantwortlich war.

01.01.69

Herr Xxxxx, der vorher schon Beisitzer der Jugendstrafkammer Wuppertal war und nunmehr seine Tätigkeit als Jugendrichter am Amtsgericht Remscheid angetreten hat, übernimmt auch gleichzeitig die Leitung der Jugendarrestanstalt.

 

 

 

Bauliche und inhaltliche Entwicklung

03.08.48

Dass der Jugendarrest in Remscheid schon sehr früh nach modernen Erkenntnissen vollzogen wurde, ergibt sich aus einem Pachtvertrag der Stadt Remscheid und der Justizverwaltung, vertreten durch den Leiter der Jugendarrestanstalt Remscheid vom 03. 08. 48.

In diesem Vertrag wird der Jugendarrestanstalt zwischen der städt. Kippe Nordstraße und der Haddenbacher Straße ein Gelände in einer Größe von ca. 49.177 qm entschädigungslos zur Verfügung gestellt. Auf dem verpachteten Grundstück dürfen Unterkünfte für jugendliche Arrestanten, Wach- und Wirtschaftsräume sowie die dafür erforderlichen 

sanitären Anlagen errichtet werden. Dieser Vertrag wurde später immer wieder, zuletzt am 06. 01. 58 verlängert und hatte eine Laufzeit bis zum 30.09.88. Der Arrest war dadurch gegliedert in den Vollzug im geschlossenen Haus in der Freiheitstraße und dem gelockerten Vollzug mit Arbeit außerhalb der Anstalt im "Lager" Nordstraße.

Zwischen der Jugendarrestanstalt Remscheid und dem Verein Jugendwerk Remscheid e.V." ist im Frühjahr 1949 ein Pachtvertrag geschlossen worden, in welchem dem Jugendwerk eine Fläche von 750 qm überlassen wird. Auf diesem Grundstück war der Pächter berechtigt, Unterkünfte für aus der Jugendarrestanstalt Entlassene, sowie für Elternlose, Heimatlose, zur Verwaltung des Grundstücks erforderliche Personen und andere Personen zu errichten.

1952

wurde das unterverpachtete Grundstück der Arrestanstalt zurückerstattet.

16.07.52

In einem Schreiben an den Generalstaatsanwalt in Düsseldorf vom 16. 07. 52 heißt es: "Mit Beginn der Frühjahrsbestellung wurde das gärtnerisch nutzbare Gelände durch die Anstalt bebaut. Zwei kleinere Räume einer Nissenhütte sind den beiden nach Remscheid versetzten Hauptwachtmeistern unentgeltlich als Notunterkünfte überlassen worden. Die zweite Nissenhütte wird zur Zeit noch bewohnt von dem Verwalter des Jugendwerkes. Dieser bewacht auch das Gelände und bedient sich dabei zweier scharfer Wachhunde."

05.06.63

Der RGA berichtet, dass das Außenlager der Jugendarrestanstalt nicht weiter bestehen bleiben soll. Es ist beabsichtigt, in Anlehnung an das Amtsgericht Remscheid ein neues Gebäude zu errichten, um alle Arrestanten unter einem Dach unterzubringen.

12.08.66

Es tritt eine neue Jugendarrestvollzugsordnung in Kraft. Das "Lager" kann daher zum Vollzug von Jugendarrest in Form von Gemeinschaftsunterbringung keine Verwendung mehr finden. Nach dem neuen Jugendgerichtsgesetz beträgt dieser noch höchstens vier Wochen. Außenarbeiten sind nach der JAVollz0 nicht mehr erlaubt.

30.09.67

Der Grundstücksausschuss der Stadt Remscheid beschließt die vorzeitige Auflösung des Pachtvertrages mit der Justizverwaltung NRW.

März 70

Das Justizvollzugsamt Köln wird gegründet. Diesem Amt untersteht auch die Jugendarrestanstalt Remscheid.

Anfang 72

erfolgt durch Prof. Dr. Xxxx Xxxxxx im Auftrag des Bundesjustizministeriums eine Untersuchung auf die pädagogische Wirkung des Jugendarrestvollzuges und Erarbeitung von Vorstellungen zu einem sinnvollen Arrest. Im gleichen Jahr kann Herr Xxxxxx als zweiter Lehrer neben Herrn Xxxxxx, für den Unterricht in der Anstalt gewonnen werden.

März 73

Die ersten Ergebnisse der von Herrn Prof. Xxxxxx durchgeführten Untersuchung werden in Gießen im Rahmen einer Tagung der "Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V." erörtert. Darauf reifen die Pläne über die Einrichtung eines Intensivvollzuges im Rahmen von Gruppenbetreuung und Anleitung zur sinnvollen Beschäftigung. Der Verein für Bewährungshilfe Remscheid e.V. übernimmt eine erste finanzielle Ausstattung in Höhe von DM 27.000,-. Die ehemalige Dienstwohnung im Verwaltungsgebäude der Jugendarrestanstalt wird als Werkraum umgestaltet. Der Kokskeller wird Autoschlosserwerkraum, später Werkkunstraum.

Sept. 73

Die 1. Gruppe wird nach dem neuen Konzept zusammengestellt und von Herrn Xxxxxx betreut. Die Gruppengespräche führt Herr Xxxxxxxx. Zur Nachbetreuung hat sich zunächst Herr Xxxxx, Bewährungshelfer, bereit erklärt.

Nov. 73

Ein Sportpavillon wird im Garten errichtet. Das ehemalige Frauenhaus Solingen muss binnen 4 Tage als Zweithaus für die Jugendarrestanstalt Remscheid eröffnet werden. Der Verein für Bewährungshilfe e.V. Solingen stiftet Werkzeuge und Sportgeräte, so daß auch in diesem Haus Gruppenvollzug durchgeführt werden kann.

Sept. 74

In Darmstadt findet vom 17. bis 20. 9. 74 der 16. Deutsche Jugendgerichtstag statt. Herr Xxxxx referiert im Arbeitskreis IV über das Thema: "Übungs- und Erfahrungskurse im Jugendarrest." Aufgrund seiner Ausführungen ergibt sich, dass bei einer Vielzahl von Arrestanten bezüglich der vermuteten Schädigungen eine punktuelle Behandlung (max. 4 Wochen) nicht ausreicht, sondern eine weitere sozialpädagogische qualifizierte Hilfe erforderlich ist, und im Rahmen von Weisungen (§10 JGG) verwirklicht werden sollte. Damit hat er die Nachbetreuung angesprochen, wie diese mittlerweile im derzeit geltenden Jugendgerichtsgesetz festgeschrieben ist.

Dez. 74

Der Präsident des Vollzugsamtes, Herr Dr. Xxxxxx, besichtigt die Jugendarrestanstalt Remscheid.

03.04.75

Besuch des Justizministers (NRW) Dr. Xxxxx Xxxxx. Er will sich ein Bild vom Intensivvollzug machen. Die Besichtigung nahm einen recht guten Verlauf. Der Minister sagt die Einstellung eines Sozialarbeiters und die Übernahme des Modellversuches zu.

01.07.75

Herr Xxxxxx nimmt seine Arbeit als Sozialarbeiter auf.

1976

Die Neugestaltung des Jugendarrestes in Remscheid wird immer bekannter. Dies führt dazu, dass die beiden Landesjugendämter Rheinland und Westfalen-Lippe zu einer Weiterbildungstagung nach hier kommen, um sich vor Ort zu informieren. Auch die Gesamthochschule Wuppertal hat ein umfangreiches Begleitpraktikum gestartet.

15.09.77

Unter Begleitung von Herrn Prof. Dr. Xxxxx und Prof. Xxxxxx, damals Gesamthochschule Wuppertal, kann die Arrestanstalt Remscheid internationalen Besuch verzeichnen.

März 79

Herr Xxxxxx verlässt die Anstalt. Er wird aber die Nachbetreuung übernehmen und vom Caritasverband Remscheid angestellt. Der Verein für Bewährungshilfe Remscheid e.V. trägt das Projekt für 3 Jahre.

Juni 79

Im Seitenhof der Anstalt kann mit wesentlicher Unterstützung der Industrie die neue Werkhalle in Betrieb genommen werden. Dadurch ist es möglich handwerkliche Arbeiten unter nahezu professionellen Bedingungen zu fertigen.

Sept. 79

Herr Xxxxxxxxx, Sozialarbeiter, tritt die Nachfolge von Herrn Xxxxxx an.

Besuch der Justizministerin (NRW) Frau Inge Xxxxxxx in der Jugendarrestanstalt Remscheid. Sie zeigt sich sehr interessiert und zufrieden und lobt die Einrichtung als vorbildlich.

Auch andere Jugendarrestanstalten zeigen Interesse an dem hier praktizierten Vollzug, was die Jugendarrestanstalt Kaufungen zu einem Besuch animiert.

Frühjahr 81

Es werden Verhandlungen mit der Stadt Remscheid aufgenommen, um Arrestanten beim Friedhofs- und Gartenamt einzusetzen. Diese Verhandlungen werden schließlich er folgreich zum Abschluss gebracht.

Febr.. 83

Unter Leitung von Herrn Prof. Xxxxxx, Gesamthochschule Wuppertal, besuchen Schweizer Jugendrichter und Staatsanwälte die Anstalt.

April 83

Das Britische Fernsehen interessiert sich über den Vollzug des Freizeitarrestes. Das BBC ist durch das Justizministerium an die hiesige Anstalt verwiesen worden. Es werden Videoaufzeichnungen gemacht.

Sommer 83

Der Gruppenvollzug besteht nunmehr 10 Jahre. Die Jugendarrestanstalt gilt mittlerweile als Modellanstalt für das ganze Bundesgebiet.

Nov. 83

Besuch der Jugendarrestanstalt Lebach (Saarland) mit Erfahrungsaustausch.

März 84

Besuch der Teilnehmer der deutsch-französischen Studienwoche an der Gesamthochschule Wuppertal mit Herrn Prof. Xxxxx (Uni Tübingen) und dem neuen Präsidenten des Justizvollzugsamtes Köln, Herrn Dr. Xxxxxx.

Mai 84

Es wird eine Art jag der offenen Tür" veranstaltet, um so alle in Frage kommenden Behörden und Institutionen mit dem Gruppenvollzug und Vollzugskonzept bekannt zu machen. Abschließend konnte festgestellt werden, dass ca. 600 Gäste die Gelegenheit genutzt haben sich über alles, was in Remscheid und Solingen geschieht zu informieren.

Febr. 85

Erneuter Besuch der deutsch-französischen Studienwoche. Prüfungsthema im Pariser Studiengang ist der Jugendarrest in Deutschland."

Sept. 85

Die Jugendarrestanstalt Remscheid beteiligt sich mit einigen Arrestanten an einer Sport und Erlebnis-Pädagogik-Woche mit anderen Anstalten. Abschließend konnte festgestellt werden, dass das Einwirken auf junge Menschen bei Sport und erlebnispädagogischen Mitteln möglich und notwendig ist. Durch das unmittelbare enge Zusammenleben ist ein direkter Einstieg gegeben, an die Jugendlichen heranzukommen und intensive Gespräche aufzubauen und zu führen. Die zivile Umgebung mit der denkbar heilen und schönen Umwelt öffnen und stimulieren den jungen Menschen und schaffen so die Basis für neue positive Erlebnisse und Lernprozesse.

Juni 86

Nach 20-jähriger Tätigkeit als nebenamtlicher Lehrer an der Arrestanstalt nahm Herr Xxxxx von dieser Arbeit Abschied. Leider verstarb auch im gleichen Monat Herr Xxxxx, der ebenfalls jugendliche Arrestanten in seiner Freizeit unterrichtet hatte. Im Wege der ABM nahm Herr Xxxxxxxx seine Arbeit auf und konnte so die entstandene Lücken z.T. füllen.

Sept.86

Die Jugendarrestanstalt Remscheid ist auf dem "Nordrhein Westfalen-Tag" mit einem Ausstellungspavillon in Düsseldorf vertreten. Gemeinsam mit 4 anderen Anstalten wird wieder eine sportpädagogische Woche durchgeführt, die diesmal in der Rhön stattfand. Wegen der guten Erfahrungen, die damit gemacht worden sind, soll eine solche Woche in Zukunft regelmäßig stattfinden.

1987

Der Verein für Bewährungshilfe Remscheid e.V. bewilligt der Anstalt eine größere Summe. Mit diesem Geld sollen Kanadier-Boote und Fahrräder für die sportliche Betätigung der Arrestanten angeschafft werden.

1988

Es wurden in diesem Jahr folgende sportpädagogische Maßnahmen durchgeführt:

Febr 88 - Skilanglaufwoche in der Rhön mit der Jugendarrestanstalt Gelnhausen
Juni 88 - Kanu- und Radfahrergruppe im Gebiet Werra/Weser nur mit hiesigen Arrestanten
Sept. 88 - Kanu-, Radwandern und Wanderwoche in der Südheide. Es beteiligten sich außer Remscheid die Anstalten: Olpe, Gelnhausen und Kaufungen. Diese Sportwochen sollen von nun an in jedem Jahr durchgeführt werden.

Herbst 90

Die Jugendarrestanstalt Remscheid ist mit einem eigenen Stand auf der Bergischen Wirtschaftsschau am Ort vertreten. Sie hat auch schon früher an ähnlichen Ausstellungen teilgenommen.

Neben der Präsentation von Holzarbeiten sollen auch Informationen gegeben werden, die dazu beitragen sollen, Vorurteile gegen die Jugendarrestanstalt und ihre Insassen abzubauen. Auch auf dem "Solinger Zöppkesmarkt" ist die Arrestanstalt mit einem Stand vertreten. Die von den jugendlichen Arrestanten erstellten Holzspielzeuge werden zum Selbstkostenpreis zum Verkauf angeboten.

1991

Der Anbau einer Werkstatt kann nach einer Anlaufzeit von 17 Jahren angefangen und vollendet werden. Es gelingt auch, den alten Kirchenraum im ersten Geschoss der Verwaltung unter Berücksichtigung der Denkmalspflege wieder herzurichten. Dieser Raum dient nun als Essensraum für gemeinsame Mahlzeiten

 

IV. Erfahrungen mit der Intensivbetreuung

Der Vollzug aus der Sicht der Mitarbeiter

 

Bemerkungen des Vollzugsleiters, Herrn Xxxxxx:

Am 1. 1. 1969 übernahm ich die Leitung der Jugendarrestanstalt Remscheid. Der Vollzug stand damals noch unter dem Leitgedanken "short, sharp, chock" (kurz, hart und schockierend). Einzelhaft, strenge Tage als Regelvollzug, absolutes Redeverbot der Arrestanten untereinander, Ordnung und Drill, Postverkehr nur in Ausnahmefällen stellten den Ablauf des Jugendarrestes dar. Tonbandgerät, Overheadprojektor und Fernseher waren die nächsten Schritte zur erweiterten Unterrichtsgestaltung.

Nach den Vorschlägen von Xxxxxxx gelang der größere Durchbruch: Gruppenvollzug, sinnvolle Arbeit, Gruppengespräche, Anleitung zur Freizeitgestaltung und Sport sollten ersten Stellenwert im Vollzug erhalten. Der damalige Aufsichtsdienstleiter, Herr Xxxxxx, stand diesen neuen und fundierten Ideen aufgeschlossen gegenüber, so dass es gelang, sie Schritt für Schritt umzusetzen. Herr Xxxxxx übernahm als Aufsichtsbeamter und geschickter Handwerker die erste Gruppe.

Durch einige interessierte Politiker wurde der damalige Justizminister Dr. Xxxxxx auf unseren Vollzug aufmerksam. Anlässlich seines Besuches konnten weitere Forderungen gestellt werden: Sozialarbeiter, Anhänger für den GTW und Überleitung der neuen Arbeit in das Haushalts- und Verwaltungsrecht des Vollzuges. Somit war der Durchbruch für den Fortschritt gelungen. Der Irrgarten mancher Verwaltungsvorschrift wollte manchmal den Fortschritt verhindern. Meistens siegten List und Einfall, manchmal nach erteilter Rüge der Satz: "Künftige Beachtung wird zugesichert".

Werkstätten wuchsen aus primitiven Anfängen zu ansehnlichen Werkräumen. Die Krönung stellt der neue Werkstattanbau dar. Die Außenarbeiten wurden für die Arrestanten zulässig. Sport außerhalb der Anstalt konnte mehr Vielfalt in das Angebot bringen.

Aber nicht nur in den Mauern der Anstalt änderte sich der Vollzug, die Arrestanten sollten auch Nachbetreuung erfahren. Diese Betreuung, und die guten Erfahrungen mit dem Sport, führten schließlich zu den sogenannten sportpädagogischen Wochen, zu denen schwierige Arrestanten in der letzten Woche ihre Arrestzeit zu intensivem Sport aus der Anstalt herausgehen: Hilders in der Rhön, Oberstdorf, Zonenrandgebiet Werra und Weserbergland, Lüneburger Heide, Heedt im Oberbergischeu Land, Waakhausen im Teufelsmoor boten für viele Jugendliche eine Gelegenheit zur sozialen Festigung. Mit Fahrrädern und Canadier-Booten wurde der Sport intensiviert.

Daneben gelang es im Laufe der Jahre, spezielle Fortbildungskurse für den Jugendarrestvollzug zu schaffen, so dass auch ein ständiger Erfahrungsaustausch mit anderen Arrestanstalten stattfand.

 

Herr Xxxxxxxxx berichtet:

Zunächst machte sich der damalige Aufsichtsdienstleiter mit den Xxxxxxx'schen Theorien vertraut. Da die Vollzugsbediensteten alle ein Handwerk gelernt haben, war die Einrichtung einer Werkstatt für handwerkliche Arbeiten fachlich kein Problem. Von Anfang an fiel die Entscheidung auf den Werkstoff Holz. Dieses Material ist in seiner Vielfältigkeit unübertroffen.

Zunächst fing ein älterer erfahrener Kollege in einer ausgeräumten Wohnung über der Verwaltung mit einfachsten Holzbastelarbeiten an. Das Holz wurde in Abfällen und Reststücken zur Verfügung gestellt. Es wurden Tiere mit Rädern, kleine Holzautos und später Rutschautos, Schaukelpferde, Garagen und Tankstellen für Matchboxautos u.ä. gebaut.

Die hergestellten Artikel wurden zunächst im Bekanntenkreis und schon sehr bald später auch auf Märkten in der näheren Umgebung zum Selbstkostenpreis veräußert. Von dem eingenommenen Geld wurde wieder neues Material gekauft. Mit Hilfe einer finanziellen Unterstützung des Vereins für Bewährungshilfe Remscheid e.V. konnte ein Hof überdacht und mit einem abschließbaren Tor versehen werden. Hier konnte nun eine zweite Werkstatt eingerichtet werden. Diese dient zur Fertigstellung von Außenspielgeräten und kleinen Garten- bzw. Spielhäusern. Auch diese wurden zunächst durch Mund zu Mund Propaganda zum Selbstkostenpreis verkauft. Als besonders wertvoll stellte sich heraus, dass die Geräte nach den Wünschen des Kunden hergestellt und auch an Ort und Stelle aufgebaut werden konnten. Für die Jugendlichen brachte die Arbeit in unserer Werkstatt oftmals erste Erfolgserlebnisse, wenn sie die Herstellung eines Spielgerätes vom rohen Holz bis zur Inbetriebnahme durch die Kinder eines Kindergarten mit eigenen Händen begleiten. Von Anfang an haben wir mit den Jugendlichen ausgeliefert, dabei hat uns bis heute keiner enttäuscht. Im Gegenteil: Wenn ein Kunde zur "Einweihung" noch eine Vesper bereitstellt, sind die Jungen meist nachhaltig beeindruckt.

Im Nebenhaus Solingen wurde bald nach der Übernahme in einem leerstehenden Wohnraum mit Flur die erste Werkgruppe eingerichtet. Nach dem Umbau einer Garage zur Werkstatt lief auch dort die zweite Gruppe an. Während der Aufbauphase besorgte der Vollzugsleiter die Abwicklung des geschäftlichen Teils mit Unterstützung des Kollegen vom Fahrdienst. Da die Auftragsentwicklung, die Materialbeschaffung und die Leitung der Werkstätten immer umfangreicher wurden, ist jetzt ein sachkundiger Kollege 28 Stunden in der Woche mit diesen Angelegenheiten beschäftigt.

Ein kleiner Prospekt hilft ihm beim Verkauf. Die Kassenführung erfolgt außerhalb der Anstalt.

Mit der Übernahme des Nebenhauses in Solingen wurde der Anstalt auch ein Fahrzeug (VW-BUS) zur Verfügung gestellt. Damit wurden auch kleinere Liefer- und Einkaufsfahrten für die Werkstätten erledigt.

Größere Teile wurden zunächst mit einem geliehenen Pritschenwagen gefahren. Das erste Fahrzeug wurde durch ein größeres mit Anhängerkupplung ersetzt. Dann kam ein stabiler Einachs-Anhänger dazu. Jetzt konnten wir alles selbst fahren. Ausgeliefert und aufgebaut wird in ganz NRW.

Nach Aufnahme dieses neuen Behandlungskonzeptes stellte sich sehr bald heraus, dass die wenigsten Jugendlichen gewohnt waren, 8 Stunden am Tag zu arbeiten. Es musste daher die Zeit aufgeteilt werden. Zwischengeschaltet wurden lockere Gesprächsrunden mit unterschiedlichen Themen auch mit externen Kräften, sowie sportliche Aktivitäten. In einer Turnhalle und einem Hallenbad, beides in der Nähe der Anstalt liegend, haben wir jetzt je einen festen Termin in der Woche.

Zwischenzeitlich konnten einige Kollegen und die Kollegin die Sportübungsleiterlizenz erwerben. Diese sind auch immer wieder bereit, an den Freizeiten teilzunehmen, obwohl es eine enorme Belastung ist, eine Woche rund um die Uhr im Einsatz zu sein.

Es soll und darf nicht verschwiegen werden, dass der Behandlungsvollzug, nach dem Gutachten von Eisenhardt eingeführt, im Kollegenkreis nicht kritiklos auf- und angenommen worden ist. Es wurden und werden heute noch hitzige Debatten über den richtigen Weg geführt.

Der Grundgedanke war, bis zu sechs Jugendliche mit vier Wochen Arrest zusammen zu fassen. Diese Gruppe bleibt während des ganzen Arrestes in der Arbeitszeit mit dem gleichen Kollegen zusammen. Nur so kann sich ein fruchtbringendes und sehr oft auch kreatives gegenseitiges Vertrauen aufbauen. An diesem Schema wird auch heute noch weitgehenst festgehalten. Anfänglich wurden die Jugendlichen in den Gruppen aus gleichem Heimatort bzw. Region zusammengefasst. Dieser Plan sah vor, dass an diesem neuen Vollzug eine Nachbetreuung anschließend. sollte. Der erste hauptamtliche Sozialarbeiter (Herr Xxxxx) hatte seine Arbeit noch stark auf dieses Ziel ausgerichtet. Die Nachbetreuung wurde aber von den erkennenden Richtern nur zaghaft ausgesprochen. Nach der mehrfachen Erweiterung unseres Einzugsgebietes und der Erkenntnis, dass oft nur weniger als 50 % unserer Ladung zum Arrestantritt Folge leisten, erledigte sich die Nachbetreuung von selbst. Wir sind allerdings weiterhin der Meinung, dass diese Maßnahme in der ursprünglichen Form sehr sinnvoll sein kann. Für unsere Arbeit stehen uns 23 Bedienstete im Vollzug zur Verfügung, sowie 1 Sozialarbeiter und 21/2 Kräfte in der Verwaltung. Durch die Schließung der Jugendarrestanstalt Euskirchen sind wir noch die einzige Anstalt im Bezirk. Die Belegungszahl pendelt seitdem an der Höchstgrenze und verlangt von allen Kräften noch mehr Einsatzbereitschaft.

 

Herr Xxxxxxxxx berichtet über den Arrestvollzug:

Im Intensivvollzug, wie er in der Jugendarrestanstalt Remscheid vollstreckt wird, sollen die notwendigen erzieherischen Hilfen gegeben werden, welche den Heranreifungs,- und Selbstfindungsprozess fördern, um somit ein Abgleiten in die Kriminalität zu verhindern. Dies setzt ein Konzept voraus, das von allen Bediensteten getragen und umgesetzt wird und bezieht sich auf Dauerarrest von zwei, drei und vier Wochen. Um eine intensive, möglichst individuelle Betreuung durchführen zu können, bildet der Dauerarrest von drei bis vier Wochen eine geeignete Grundlage. Er orientiert sich an dem Behandlungsbedürfnis der Jugendlichen und Heranwachsenden zur Befähigung, Handlungskompetenzen zu erweitern und Erfolgserlebnisse zu erfahren. Der Schwerpunkt des Intensivvollzuges liegt auf der Gruppenbetreuung, die neben sinnvoller Arbeit ein Informations- Schulungs,- Gesprächs,- und Freizeit/ Sportangebot beinhaltet.

Ladung

Zweiwöchige Arrestanten werden zum selben Termin, in der Regel Freitags, geladen. Drei- und vierwöchige Arrestanten werden nach gewisser Vorauswahl (Alter, Bildung, Delikt) ebenfalls zum selben Termin geladen und in vier Parallelgruppen durch den Arrest geführt.

Hausarbeit

Die Hausarbeit umfasst sämtliche Reinigungs,- und Putzarbeiten innerhalb der Anstalt mit deren Außenanlagen. Darüber hinaus helfen die Hausarbeiter in Küche und Kammer, soweit dies zulässig ist. Sie werden auch zu Reparaturarbeiten eingesetzt. Zu diesen Hausarbeiten werden bis zu 4 Arrestanten her angezogen. Sie sollten Selbststeller und weder drogenabhängig noch fluchtgefährdet sein. Die Hausarbeiten finden unter Anleitung und Aufsicht des Hausbeamten statt.

Heimarbeit

Für alle Arrestanten, die nicht in Arbeitsgruppen integriert werden können, sei es wegen Kurzarrest, gesundheitlicher Einschränkung, oder aus Gründen der Sicherheit, werden leichte Fertigungsarbeiten, wie das Zusammensetzen von Spannungsprüfern, Einsortieren von Schrauben und Nägeln in Verkaufsverpackungen usw. angeboten. Diese Tätigkeiten werden außerhalb der Zellen, an einem großen Arbeitstisch, ebenfalls unter Anleitung und Aufsicht des Werkbeamten, durchgeführt.

Gartengruppe

Für die Arbeit der Gartengruppe werden in der Regel die zweiwöchigen Arrestanten herangezogen. Die Gartengruppe, die aus vier bis sechs Arrestanten besteht, wird nach Zugangsund Einzelgesprächen durch den Sozialarbeiter ausgewählt. Es handelt sich hierbei um solche Arrestanten, die arbeitswillig erscheinen, freiwillig zum Arrest erschienen und weder fluchtgefährdet noch drogenabhängig oder Gemeinschaftstäter sind. Es wird ferner darauf geachtet, dass keine Ausländerüberzahl besteht. Arrestanten, die sich wegen Nichterfüllung von Sozialstunden im Beugearrest befinden und wo es geboten erscheint, können hier Gelegenheit bekommen, diese Arbeitsauflagen abzuarbeiten. Dies geschieht dann in Absprache mit dem jeweiligen Gericht. Die Gartengruppe arbeitet außerhalb der Anstalt und wird in der Stadtgärtnerei, in Parkanlagen und auf Friedhöfen zu allen anfallenden Arbeiten eingesetzt, wie Bepflanzen von Blumenkübeln und Beetflächen im Stadtgebiet, Säuberung und Erhaltung von Parkflächen, Friedhof-, und Grabpflege etc. Die Arrestanten werden von Meistem und Stadtgärtnern von der Anstalt abgeholt und mit städt. Kfz zum Arbeitsort gefahren, wo dann unter Aufsicht und Kontrolle gemeinsam mit den Stadtgärtnern gearbeitet wird. Gegen 11.45 Uhr werden die Arrestanten zum Mittagessen in die Anstalt zurückgebracht, von wo sie dann gegen 12.45 Uhr zum weiteren Arbeitseinsatz abgeholt werden. Arbeitsende ist gegen 15 Uhr.

Holzgruppen

Der Schwerpunkt der Arbeit mit den Holzgruppen ist die Anleitung zur sinnvollen Arbeit. Je zwei dreiwöchige und je zwei vierwöchige Gruppen laufen parallel durch die Anstalt für die je ein Beamter des Aufsichtsdienstes als Leiter der Gruppe zur Verfügung steht. Für jede der 4 Gruppen wurde eine Werkstatt für Holzbearbeitung eingerichtet. Zwei Werkräume dienen vor allem der Herstellung von Kinderspielzeug. Zwei weitere Werkhallen werden zum Bau von Kinderspielplatzgeräten genützt. Die Arbeitszeit ist von 7 - 12 Uhr und von 13 - 15 Uhr.

Die Ausstattung der Werkstätten wurde ständig verbessert. Sie sind mit Heimwerker- und Profimaschinen ausgerüstet. Dadurch ist präzises Arbeiten und ein umfangreicheres Programm möglich. Besonders bei der Erstellung von Kinderspielplatzgeräten muss auf genaue Arbeit geachtet werden, da diese Geräte der DIN - Norm entsprechen müssen.

Alle hier von Jugendarrestanten hergestellten Werkstücke werden auf dem freien Markt von der Anstalt verkauft. Unter Einbeziehung von Arrestanten beteiligen wir uns mit eigenen Verkaufsständen an Weihnachtsund Wohltätigkeitsmärkten. Darüber hinaus haben wir einen Katalog über unsere Standarderzeugnisse, der an Kindergärten etc. versandt wird. Auf dieser Weise ist es uns gelungen, über das ganze Jahr eine Vollbeschäftigung zu erreichen.

Betreuungsarbeit

Einzelgespräche

Nachdem der Arrestant hier verwaltungs- und kammermäßig aufgenommen wurde, wird er vom Hausbeamten auf die Zelle gebracht, wo er über Zellen- und Hausordnung und über den Tagesablauf informiert wird. Hiernach führt der Sozialarbeiter das Zugangsgespräch um sich ein persönliches Bild von dem Arrestanten zu machen. Fragen zur Person, Beruf, Schule, Familie, Hobby, Delikt usw. werden erörtert, ferner wird auf besondere Auffälligkeiten geachtet und abgeklärt, ob akute Probleme, wie Krankheit, Drogenabhängigkeit, Suizidgefahr, Platzangst oder ähnliches bestehen. Entsprechend der hieraus gewonnenen Erkenntnisse, unter Hinzuziehung der Akte, wird der Arrestant in den Vollzug eingegliedert und weiter betreut. Einzelgespräche werden während des ganzen Arrestes angeboten und fortgesetzt, so dass jeder Arrestant die Möglichkeit hat, sich mit all seinen Fragen und Problemen einzubringen. Ziel der Gespräche ist es, den Arrestanten zu festigen, ihm bei der Bewältigung seiner Probleme und Schwierigkeiten, die im Arrest entstehen, zu helfen. Ferner wird gemeinsam versucht zu reflektieren, was eigentlich zur Straftat führte und was in Zukunft verändert werden müsste, um nicht erneut straffällig zu werden.

Gruppengespräche

Gruppengespräche finden in regelmäßigen Abständen für alle Arrestanten statt. Es besteht Teilnahmepflicht. Die Gruppenstärke variiert zwischen 4 und 12 Personen. Es werden bestimmte Arrestantengruppen zusammengestellt, wie z.B. Schüler, Arbeitslose, Drogengefährdete, Verkehrssünder, Gewalttäter, Ausländer u.s.w., die unter Leitung des Sozialarbeiters über verschiedene jugendspezifische Themen, aus dem Bereich des täglichen Lebens diskutieren. Als Einstieg und zur Untermauerung werden Dokumentar- und Kurzfilme vorgeführt, die einen direkten Bezug zum jeweiligen Thema haben. In diese Gruppengespräche werden in Gesprächsführung weitergebildete Vollzugsbedienstete einbezogen. Auch hier wird angestrebt, dem Arrestanten die Probleme und Schwierigkeiten, die zu seinem Fehlverhalten geführt haben, bewusst zu machen, Denkanstöße und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen und ihn zu motivieren, sein Verhalten zu überdenken mit dem Ziel, künftige Straffälligkeit auszuschließen.

Kontakte nach draußen

Sämtliche Kontakte der Arrestanten nach draußen, ausgenommen Briefverkehr, werden durch den Sozialarbeiter vermittelt:

Aufzählung

Herstellung von Kontakten zu Behörden, Arbeitgebern, Schulen u.s.w.

Aufzählung

Herstellung von Kontakten zu Bezugspersonen (Eltern, Freunde/in etc.)

Aufzählung

Konkrete Maßnahmen zur Arbeits-, bzw. Lehrstellenbeschaffung, sowie Vermittlung von Unterkünften

Aufzählung

Angehen von Suchtproblematik, u.a. durch Herstellung von Kontakten zu therapeutischen Einrichtungen

Aufzählung

Besuche von Privatpersonen während des Arrestes (Diese werden nur zugelassen, wenn ganz besondere Gründe dies rechtfertigen z.B. Aussprache mit den Eltern.)

Aufzählung

Offizielle Betreuer, Bewährungshelfer und ähnliche Personen können ihre Betreuungsarbeit, nach Absprache, fortsetzen.

Gefährdetenhilfe Scheideweg

Die Gefährdetenhilfe Scheideweg e.V. ist eine seelsorgerisch ausgerichtete Arbeitsgemeinschaft von Christen aus verschiedenen Kirchen, Freikirchen und Gemeinschaften. Bei Gottesdiensten, Gruppengesprächen oder in der Einzelbetreuung wird Kontakt mit dem Arrestanten aufgenommen. Hieraus ergeben sich oftmals über den Arrest hinausgehende Betreuungsmaßnahmen, mit der Möglichkeit der Unterbringung in Wohngemeinschaften und Arbeitsstellen.

Freizeitgruppen

Werken und Basteln

Samstags bietet eine Beschäftigungstherapeutin für alle Dauerarrestanten, verteilt auf Kleingruppen, Basteln an. Durch Modellier-, Mal- und Knüpfarbeiten werden insbesondere Fertigkeiten im kunsthandwerklichen Bereich und Phantasie vermittelt und gefördert. Diese Arbeit ist immer wieder Einstieg in intensive Gespräche, die zur Festigung und Problembewältigung wesentlich beitragen.

Fernsehen und Video

Zu festgelegten Zeiten wird Unterhaltungsfernsehen angeboten. Hierzu wurden speziell ausgewählte Jugendfilme aus dem Bereich Abenteuer, Musik, Jugendproblematik, Sport etc. auf Video aufgezeichnet, die zum Sonntag vorgeführt werden. Ebenso werden Fernsehen und Video zu Unterrichtszwecken und als Einstieg in Gruppengespräche verwendet.

Sport

Hallensport

Neben der täglichen Freistunde, wo im Anstaltshof für alle Arrestanten Gymnastik, Laufen und Ballspiele angeboten werden, findet einmal wöchentlich Turnen und Schwimmen statt. Hierzu steht uns die nahegelegene Schulturnhalle und das städt. Hallenbad zur Verfügung. Es besteht Teilnahmepflicht für alle Arrestanten, die weder krank noch fluchtgefährdet sind, wobei Schwimmen hauptsächlich mit den Holzgruppen durchgeführt wird.

Radwandern

Die Jugendarrestanstalt verfügt über 10 solide Wanderräder, sodass zusätzlich für interessierte und geeignete Arrestanten Radwandertouren angeboten werden können. Diese Radtouren werden vom Nebenhaus Solingen mit Dauerarrestanten, außerhalb der Arbeitszeit, hauptsächlich am Wochenende, durchgeführt. Bis zu acht Arrestanten, die von zwei Bediensteten begleitet werden, können an diesen Touren teilnehmen. Gemeinsam wer-. den Strecken geplant und ausgearbeitet, deren Distanz zwischen 25 bis 60 km beträgt.

Kanusport

Bei günstiger Witterung, werden mit den drei anstaltseigenen Kanadierbooten Kanutouren durchgeführt. Mit bis zu zwölf Dauerarrestanten, befahren wir im Kreis gelegene Seen und Flüsse. Ziel ist es, Leistungsbereitschaft, Ausdauer, Willensstärkung, Sozialverhalten, Gruppenverhalten etc. zu fördern und zu festigen.

Sportpädagogische Maßnahmen

Jeweils im Frühjahr, Herbst und Winter werden Sportwochen, außerhalb der Anstalt, zum Teil unter Teilnahme der Arrestanstalten Kaufungen und Gelnhausen durchgeführt. Im Frühjahr findet diese Veranstaltung im Teufelsmoor bei Bremen statt. Wir beziehen mit zwölf Arrestanten und drei Bediensteten eine einfache Hütte des dortigen Kanuverbandes. Da diese Hütte nur von kleinen Wasserarmen, Wiesen und Wäldern umgeben ist, sind Störeinflüsse von außen so gut wie ausgeschlossen. Im Wechsel werden Kann- und Radtouren als Tagestouren unternommen, hinzu kommen Schwimmen und Ballspiele. Im Herbst findet die Sportwoche gemeinsam mit den Jugendarrestanstalten Kaufungen und Gelnhausen in der Lüneburger Heide statt, wobei die Kaufunger Anstalt auf Rennradsport spezialisiert ist, so dass zusätzlich Radrennsporttraining angeboten wird. Im Winter bietet die Jugendarrestanstalt Gelnhausen Skilanglaufseminare an, welche in der hessischen Rhön durchgeführt werden.

Die Erfahrungen aus den bisher durchgeführten Seminaren haben deutlich gemacht, dass es gelungen ist, mehr positiven erzieherischen Einfluss auf die Jugendarrestanten auszuüben, als dies in der Anstalt möglich ist. Das intensive Sporttraining, die Gruppengespräche und Gruppenarbeit führten über die Erlebnispädagogik dazu, dass nicht die Aufsichtsbeamten als "Schließer", sondern als "neutrale" Personen betrachtet wurden, was rasch zu einem festen Gruppengefüge und einer gegenseitigen Vertrauensbasis führte, die intensive persönliche Gespräche förderte. Austausch und Diskussionen über die eigene Problematik, das Erleben und Empfinden der eigenen Person und der anderen Gruppenmitglieder, sowie andere Themenbereiche wie Drogen, Alkohol und Nikotin, verliefen offener und ehrlicher als in der Anstalt. Die Arrestanten lernten, besser miteinander umzugehen und zu sprechen. Ganz von selbst wurden Gespräche über Lebenssinn und Zukunftschancen geführt. Sie lernten, durch sportliche Leistungen sich selbst und die eigene Leistungsfähigkeit besser erkennen zu können, Geist und Körper zu wecken und zu verbinden.

Schlussbemerkung

 

Der in der Jugendarrestanstalt Remscheid praktizierte Arrestvollzug, hier "Intensivvollzug" genannt, zeigt Möglichkeiten und Wege auf, wie Dauerarrest sinnvoll und zielgerichtet gestaltet werden kann.

Abhandlung von Herrn Xxxxx der die Nachbetreuung durchführte:

Auszug aus dem Konzept über den Nachbetreuungszeitraum vom 15.06.79 - 01.10.81:

Konkrete Hilfestellungen

Arbeitsvermittlung, Wohnungssicherung, Schuldenregulierung, Hilfestellung bei Kontakten mit Behörden und Arbeitgebern.

Praktische Nahziele

Überwindung des Zwangscharakters der Maßnahme, sinnvolle Koordination, Einzelgespräche und Gruppenprozesse, Einbeziehung des sozialen Umfeldes, Spaß mit sich und anderen haben - Zufriedenheit entwickeln, Kochkurs, Wochenendseminare durchführen.

Theoretische Zielvorstellungen

Erweiterung der Handlungskompetenz, Rückfälligkeit und Kriminalisierung verhindern, Einbeziehung der Jugendlichen und Heranwachsenden in die Gruppenarbeit, Praxisorientierung, Abbau der Fixierung auf die Betreuer, Freizeitangebote ohne Konsumzwang.

Weitere Aspekte der Betreuungsarbeit

Kontrollfunktion ausüben, Planungsziele und Wirklichkeit ständig überprüfen, Vor und Nachbereitung der Gruppenabende durchführen, Protokolle fertigen, Grenzen der Betreuer erkennen, Erweiterung des Teams anvisieren.

Die konkreten Hilfestellungen sind vorrangig auf Grund akuter Notsituationen. Sie werden von ihrem Ausmaß und der Konzentrierung auf den Einzelnen, hauptsächlich durch Einzelfallhilfe, geleistet. Jede weitergehende Einflussnahme ist abhängig von ihrem Gelingen oder Scheitern. Durch die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt kann bei dem jugendlichen Heranwachsenden der Wille zur Fort- und Weiterbildung im beruflichen Bereich angeregt werden. Bei Schuldenregulierungen wird dann unterstützend eingegriffen, wenn dies von dem Jugendlichen gewünscht wird und er nicht mehr in der Lage ist, diese Schwierigkeiten selber zu lösen. Die Nahziele sollen in einer kürzen Zeit umsetzbar sein. Der zwanghafte Charakter der Nachbetreuung soll so verändert werden, dass im Laufe der Anfangszeit eine Teilnahme von Spaß und Interesse bestimmt wird. Die Einbeziehung des Umfeldes wird dadurch erreicht, dass die Gruppenmitglieder von uns motiviert werden, eine Selbstdarstellung und stets einfließende Informationen über dieses Umfeld zu geben. Durch Diskussionen und direkten Kontakt ergibt sich eine weitergehende Einbeziehung des Umfeldes.

Kontrollfunktionen (Einschränkung des zwangfreien Rahmens) werden dann angewandt, wenn Rückfälligkeit Arbeitslosigkeit, Wohnungsverlust, größere finanzielle Schwierigkeiten oder ähnliches ohne diese Maßnahmen zu befürchten sind. Durch Gruppenprozesse und Abbau von Abhängigkeiten soll erreicht werden, selbstverständlichere Kontakte mit Behörden (keine Bittstellerfunktion), Verselbständigung, Erkennen von Grenzen (auch der eigenen), Erweiterung der Verhaltensmuster in Konfliktsituationen.

Veränderung im Laufe der Betreuungszeit

Die erste Kontaktaufnahme findet heute schon kurz nach der Gerichtsverhandlung statt und nicht erst während der Arrestverbüßung. In Zusammenarbeit mit der Jugendgerichtshilfe und dem Sozialdienst der Stadt Remscheid. findet der Erstkontakt in Einzelfällen auch schon vor der Verhandlung statt. Das wirkt sich insgesamt günstig auf die Motivierbarkeit der Betreuten aus und zwar durch bessere Vorabinformation und persönlichen unbelasteteren Erstkontakt.

Einzelgesprächsphase

Die Einzelgesprächsphase dauert heute ca. 3 Monate. In dieser Zeit findet einmal wöchentlich ein ca. 1 1/2-stündiges Gespräch statt. Im Bedarfsfall erhöht sich die Häufigkeit dieser Termine.

Gruppenphase

Diese Phase soll in der Regel heute ein halbes Jahr betragen. Das heißt, dass in der kritischen Zeit nach der Arrestverbüßung (ein halbes Jahr) die Gruppenbetreuung am intensivsten ist. Auch lassen sich Wochenendseminare und andere Veranstaltungen wie der Kochkurs, komprimieren und besser planen. Gruppenzusammenkünfte finden einmal wöchentlich statt.

Loslösungsphase

In den letzten 3 Monaten der Betreuung finden die Kontakte nicht mehr so regelmäßig statt. Es wird den Betreuten immer mehr überlassen, die Termine selbst zu bestimmen. Bei auftretenden Fragen und Schwierigkeiten sucht der Betreute selbst von sich aus den Kontakt zum Betreuer.

Parallel zum Gruppenvollzug konnte auch die Nachbetreuung durchgeführt werden, die nach § 10 JGG für die Dauer eines Jahres nach Verbüßung des Arrestes angeordnet worden war. Diese "Nach"-Betreuung wurde zum einen in Form eines wöchentlichen Gruppenabends, zum andern in konkrete Hilfestellung für die Einzelnen gestaltet.

Die Betreuungszeit lässt sich in 4 Abschnitte gliedern:

Kontaktaufnahme

Der erste Kontakt findet in der Regel während oder kurz nach der Verhandlung statt.

Einzelbetreuung

Der gemeinsame Versuch, Probleme zu lösen, ist ein geeignetes Mittel, Hemmschwellen zu verringern. Die Phase der Einzelbetreuung ist nach ca. drei Monaten beendet.

Gruppenbetreuung

Die wöchentlich stattfindenden Treffen umfassen Gespräche, Freizeitaktivitäten und verschiedene Kurse, deren Inhalte abhängig gemacht werden von den Erwartungen und Wünschen der Gruppenmitglieder.

Loslösungsphase

Während der letzten 3 Monate der Betreuungszeit finden wieder Einzelgespräche statt, in der die Betreuungszeit reflektiert wird. In den letzten beiden Jahren (also 1984 und 1985) wurden keine Gruppen- sondern nur noch Einzelbetreuungen durchgeführt.

Zum Schluss schreibt Herr Xxxxx:

"Die Ablehnung der Kombination von Jugendarrest und Betreuungsweisung wie sie teilweise erhoben wird, kann ich nicht teilen. Zum einem hat sich die Betreuungsweisung in Remscheid anders entwickelt als in anderen Projekten. Hier sollte über die Arrestverhängung hinaus Hilfestellungen und Handlungserweiterungen von Alltagserfordernissen gegeben werden, die sonst "freiwillig" ein solches Angebot nicht in Anspruch nehmen. Eine Veränderung von freiheitsentziehenden Maßnahmen zu ambulanten Behandlungsformen kann nur vor Ort mit den dortigen Möglichkeiten in Einklang gebracht werden. Das heißt, dass es unterschiedliche Wege geben muss, und dies kein Nachteil, sondern ein Vorteil ist, da nur so ein besserer Weg zur Verhinderung weiterer Kriminalisierungsprozesse erreicht werden kann."